Der Aufreger des Tages war die Meldung https://www.nordbayern.de/region/inzidenz-der-ungeimpften-soder-nutzte-falsche-zahlen-1.11601322. Obwohl das so nicht stimmt. Ein empörter Aufreger war das für mich nicht, sondern die Bestätigung der Meldung eines Sachverhalts vor nun schon einigen Tagen in gleicher Thematik: Nämlich dem Fehlen einer Anstrengung für belastbare Zahlen rund um Corona für die weitreichenden Entscheidungen, die aufgrund dieser Zahlen top-down getroffen und bottom-up individuell von jedem von uns abverlangt werden.
Konkret das Protokoll der Anhörung der Sitzung des Deutschen Bundestags vom 15. November, in dem der Sachverständiger Gernot Marx , seit Januar 2021 Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv und Notfallmedizin e. V., kurz Divi, mit den Worten zitiert wird, dass es „im Moment“, also 15. November, noch gar keine Zahlen für Geimpfte vs. Ungeimpfte auf Intensivstationen gibt, „…. weil wir bisher noch nicht erfasst haben, welche Patienten auf den Intensivstationen geimpft und welche nicht geimpft sind. … Wir haben als DIVI gemeinsam mit dem RKI jetzt auch entsprechende Vorbereitungen getroffen, diese wichtigen Informationen sehr schnell zu erfassen. Wir haben sie aber noch nicht zur Hand.“ S. 20, https://www.bundestag.de/resource/blob/869052/8ad3e08fc55c91e8f87812e64d74f691/protokoll-data.pdf. Aber mit diesen Zahlen wird doch gefühlt seit Monaten pro Impfung bzw. nun auch pro Impfpflicht argumentiert? Wo ist mein Denk- oder Wahrnehmungsfehler?
Der Stern hat dazu gestern ebenso publiziert, s. https://www.stern.de/amp/gesundheit/corona–wer-aktuell-auf-deutschen-intensivstationen-liegt-30983168.html. Lesenswert. Die offenbar fehlenden Ausgangsdaten erklärt die Argumentation in dem Artikel unter der Überschrift „Deutlich mehr ungeimpfte Intensivpatienten“. Hier werden die beiden bekannten statistischen Größen in Beziehung gesetzt: Impfquote in den jeweiligen Altersgruppen und Intensivpatienten in den jeweiligen Altersgruppen. Daraus ergibt sich dann der Zusammenhang Impfquote und intensivmedizinische Hospitalisierung. Hmm, ist nun nicht falsch und kann man so machen. Irgendwie aber nicht so überzeugend für mich – wäre doch einfacher, den Impfstatus direkt zu erfassen, oder? Im zweiten Absatz unter dieser Überschrift in diesem Artikel werden dann die Daten der Helios-Gruppe, die das erfassen, genannt. Warum können nur die das und warum gibt es nach inzwischen x Monaten in der Pandemie diesbezüglich keine einheitliche Datenlage? Ich lasse das nun ohne weitere Erläuterungen so stehen, weil ich das alles nicht einschätzen und erst recht nicht bewerten kann. Aber – ich wiederhole mich – überzeugend finde ich das alles nicht.
Dazu ist der Kommentar von Ulrich Schönborn, Chefredakteur der „Nordwest-Zeitung“ gestern unter https://www.ndr.de/nachrichten/info/sendungen/kommentare/Kommentar-Das-Fuer-und-Wider-der-Impfpflicht-,impfpflicht186.html sehr lesenswert, der unter dem Absatz „Desolates Krisenmanagement und Krisenkommunikation“ die Situation stimmig analysiert. Wie die Überschrift schon verrät, wird rund um das Impfen, nicht aber das Impfen selbst kritisiert.
Unbedingt aber über diesen Absatz hinaus weiterlesen: Denn die gegen Ende des Kommentars formulierte Botschaft, dass wir die Existenz des Virus akzeptieren sollten, hat das Zukunftsinstitut bereits im März 2020 (!) als eines von vier Zukunftsszenarien skizziert. Insbesondere als ein positiver Handlungs- und Geisteshaltungsset ist das Szenario vier lesenswert. S. https://www.zukunftsinstitut.de/fileadmin/user_upload/Whitepaper-Der-Corona-Effekt-Zukunftsinstitut.pdf.
Fazit: Hände weg von der Impfpflicht, genau und ehrlich draufschauen, sich vielleicht auch mal einen Fehler eingestehen und sich v.a. als Gesellschaft nicht spalten lassen. Und nun einen schönen Nikolausabend!